Buchdrucker?! Kupferstecher?! Ja! Richtig gelesen!
Jedes
Jahr im Frühjahr ist es soweit: Buchdrucker und Kupferstecher sind in unseren Nadelwäldern unterwegs. Zu Beginn meist völlig unbemerkt von den Wandernden. Doch wer sind die Beiden? Handwerker?
Künstler?
Nein! Zwei Käferarten aus der Unterfamilie der Borkenkäfer wurden so benannt. Naja, eigentlich wird der Buchdrucker als Großer Achtzähniger Fichtenborkenkäfer bezeichnet. In der Forstwirtschaft gilt er als der bedeutendste Schädling. Namensgebend ist sein typisches Brutbild unter der Rinde von Fichten, welches einem aufgeschlagenen Buch ähnelt. Ähnlich bedeutsam ist der Kupferstecher, den man an seinen sternförmigen Brutbildern erkennt, die entfernt an Kupferstiche erinnern – daher der Name. Richtig heißt er Sechszähniger Fichtenborkenkäfer. Seine Lieblingsbaum ist ebenfalls die Fichte, unter deren Rinde er seine Eier ablegt und sich die Larven entwickeln.
Weltweit gibt es über 6000 Borkenkäferarten. In Europa sind etwa 300 Arten heimisch, davon in Deutschland mehr als 100. Und immer wieder werden neue Arten entdeckt.
Jede Käferart hat ihre Lieblingsbaumart, auf die sie sich spezialisiert hat. Meist werden die Käfer auch entsprechend nach dieser benannt.
Eine weitere Unterscheidung wird danach getroffen, wo die Käfer ihre Brut ablegen.Sogenannte Rindenbrüter, wie beispielsweise der Große Birkensplintkäfer, legt seine Brut unter der Rinde in der nährstoffreichen, saftführenden Schicht von Bast und Kambium an. Andere Käferarten sind Holzbrüter wie z.B. der Buchen-Nutzholzborkenkäfer. Sie bohren für die Eiablage das Holz der Wirtsbäume an. Später fressen sich die Larven von diesen Brutröhren aus weiter und verpuppen sich dann auch dort. Die meisten Arten nutzen lebende Bäume bzw. frisch geschlagenes Holz, doch es gibt auch auf Totholz spezialisierte Borkenkäfer. Einige wenige Exoten finden sich in Zweigen, Wurzeln, Zapfen oder Früchten (z.B. der Kaffeekirschenkäfer oder der Dattel-Borkenkäfer).
Borkenkäfer - Fluch oder Segen?
Sieht man auf seiner Wanderung solche Bilder, mag man vielleicht zunächst erschrecken. Zu ungewohnt ist für uns der Anblick von abgestorbenen Fichtenforsten oder riesigen Kahlschlägen. Schnell wird auf den Borkenkäfer geschimpft. Doch von einem Schädling spricht man nur in Wirtschaftswäldern. Dort, wo über die letzten Jahrhunderte gleichaltrige Waldbestände in Monokulturen angebaut wurden, die immer aufwändig gehegt und gepflegt werden müssen, kann ein nicht rechtzeitig erkannter Borkenkäferbefall schonmal ein ganzen Wald zum Absterben bringen. Dieses Problem ist menschengemacht!
In der Natur gehören Borkenkäfer einfach zum großen Kreislauf des Lebens dazu. Die Käfer finden schwache, kranke Bäume und sortieren diese aus. Durch den Befall sterben diese Bäume oft ab und bieten nun ihrerseits die Lebensgrundlage für andere Tiere und Pflanzen. Pilze beginnen den sterbenden Baum zu zersetzen. Moose siedeln sich an und andere Insekten finden hier Nahrung und Unterschlupf. Doch Borkenkäfer sind auch selbst Nahrungsquelle. Für Schlupfwespen, Milben, Lanzen- und Langbeinfliegen und Ameisenbuntkäfer sind sie wahre Leckerbissen... Schwarz- und Kleinspechte klopfen die Rinde und das Baumholz ab auf der Suche nach den kleinen Käfern und ihren Larven. In den entstandenen Ritzen und Baumhöhlen finden Vögel Nistmöglichkeiten oder Fledermäuse Schlafplätze. Der Schatten der Totholzstämme schützt nachwachsende Pflanzen und lässt trotzdem genug Licht für das zügige Spriesen der Bodenvegetation hindurch. Zusammenbrechende Bäume liegen oft noch Jahrzehnte am Waldboden bis sie zu Humus zerfallen sind. Sie nehmen Regenwasser auf und speichern es wie ein Schwamm. Nur langsam geben sie es an den Waldboden ab. In einem gesunden Mischwald können auf diese Weise auch mal längere Trockenphasen gut überstanden werden.
Borkenkäfer im Nationalpark
„Natur Natur sein lassen“ ist das Motto aller Nationalparks. Große miteinander in Kontakt stehende Naturflächen sichern eine große Artenvielfalt und damit die Grundlage unser aller Leben. Die Natur ist so komplex und vernetzt, dass der Mensch davon nur Bruchstücke verstehen und beherrschen kann. Um sicher zu gehen, dass es nicht zu einem totalen Kollaps kommt, muss ein Mindestanteil der Erdfläche der Natur vorbehalten bleiben. Dort soll eine vom Menschen möglichst unbeeinflusste, freie Entwicklung und Entfaltung ermöglicht werden - soweit dies in unserer von Umweltverschmutzung und Klimawandel veränderten Welt überhaupt noch möglich ist! Diese Überlegung klingt erstmal völlig logisch.
Schon im Jahre 1992 verpflichteten sich deshalb die Staaten der Erde zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, festgehalten in der Convention on Biological Diversity (CBD). Im Jahre 2007 hat die deutsche Bundesregierung die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt formuliert. Kein Gesetz, sondern "nur" eine Willenserklärung. Die EU-Kommission hat in ihrer Biodiversitätsstrategie das Ziel formuliert, dass zehn Prozent der Landesfläche bis 2030 streng geschützt werden sollen. Nationalparks haben im Rahmen dieser übergeordneten Strategie eine ganz bedeutende Funktion. Sie sichern Raum für sich selbst regulierende Wildnis und tragen so ganz wesentlich zum Erhalt der Artenvielfalt bei.
Doch der Wechsel von einer "Kulturlandschaft" zu einer "Wildnis" ist für uns ordnungsliebende Menschen schwer zu ertragen. Wir sind es gewohnt, uns überall einzumischen und alles Mögliche vorherzubestimmen und mitzugestalten. Wir müssen wieder lernen zu akzeptieren, dass sich die Natur eben nicht nach unseren romantisch verklärten Vorstellungen von "NATUR" richtet.
Auf den Gebieten des heutigen Nationalparks Sächsische Schweiz und des Národní park České Švýcarsko gab es in den letzten Jahrhunderten in weiten Teilen Waldwirtschaft. Inmitten der heutigen Kernzone in der Hinteren Sächsischen Schweiz zeugt eine Inschrift am Altarstein von dieser Zeit: Diese listet die Namen aller Förster des Hinterhermsdorfer Forstreviers von 1632 bis 1943 auf und weist uns so auf eine wohl über 400-jährige Geschichte der Forstwirtschaft im Elbsandsteingebirge hin.
Zuletzt wurde hier stark auf die Baumart Fichte gesetzt, die schnell wächst und gerade Stämme hervorbringt. Nur einige Teile des Elbsandsteingebirges waren und sind noch ursprünglich und naturbelassen. Es sind vor allem die hohen Felsenriffe mit den typischen Riffkiefern und Heidekrautfläche sowie die tiefen engen Schluchten, in denen kühles Kellerklima vorherrscht und ideale Bedingungen für Moose, Flechten und Farne gegeben sind.
Die ehemaligen Fichten-Monokulturen, meist unterhalb der Felsgebiete gelegen, sind nicht standortgerecht und auch durch den zügigen Wandel des Klimas stark gefährdet. Das wusste man schon mit Gründung des Schutzgebietes im Jahre 1990. Damals bestand der Nationalpark Bayerischer Wald gerade 20 Jahre und es gab mittlerweise einige Erfahrung mit der Ausbreitung des Borkenkäfers, die man berücksichtigen wollte. Durch Waldpflegemaßnahmen unterstützte die Nationalparkverwaltung deshalb den Waldumbau. 25 Jahre schaffte sie es damit, einen großflächigen Borkenkäferbefall auszuschließen. Doch nach mehreren Trockenjahren zwischen 2016 und 2020 war das Ende des Fichtenwaldes im Nationalparkgebiet besiegelt. Der "Waldbau-Ingenieur Borkenkäfer" hat nun das Zepter übernommen.
Genau hinschauen...
Wanderer im Nationalpark haben aktuell die Möglichkeit, diesen faszinierenden Prozess des natürlichen Waldumbaus zu beobachten. Sobald die Fichten kahl sind, Stürme Lichtungen gerissen haben, setzt kräftiges Waldwachstum mit verschiedensten Baumarten ein, die hier nun ohne die Unterstützung durch den Menschen eine neue Wildnis und den Naturwald von morgen entstehen lassen.
Übrigens: Auf einer zehn Hektar großen Fläche am Reitsteig im Bereich des Kleinen Winterbergs und auf einer rund drei Hektar großen Fläche am
Hochhübel in der Nähe des Zeughauses (am Beginn des Reitsteiges an den Thorwalder Wänden) ist dieser Prozess bereits über 15 Jahre fortgeschritten, weil sich an diesen Stellen bereits im Jahren
2006 und 2007 der Fichtenborkenkäfer massenhaft vermehren konnte.
Diese kleinen Gebiete ermöglichen uns schon jetzt einen Blick in die Zukunft der absterbenden Fichtenwälder im Nationalparkgebiet. An den 2006 betroffenen Stellen stehen heute nur noch einige
wenige der damals abgestorbenen Bäume. Der Großteil ist bereits umgestürzt. Ein junger, frischer und vielseitigerer Wald wächst zwischen den unzähligen
umgestürzten, rindenlosen Baumstämmen neu heran. Die jungen Birken, Ahorne, Rotbuchen und Ebereschen, aber auch Lärchen, Fichten und Kiefern, sind bereits einige Meter hoch.
Tipp: Am Reitsteig beim Kleinen Winterberg - zwischen den Abzweigen Lehnsteig und dem Fremdenweg - hat die Nationalparkverwaltung gerade einen neuen Borkenkäfer-Walderlebnissteg errichtet, der uns Einblick in die natürlichen Waldumbauprozesse gibt.
Wie funktioniert das mit diesen Borkenkäferfallen?
Auf Lichtungen in gefährdeten Fichtenwäldern entdecken wir beim Wandern oft schmale schwarze Kästen mit Schlitzen. Das sind Borkenkäferfallen. Sie werden meist dort aufgestellt, wo der Borkenkäfer schon einmal zugeschlagen hat, also eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass erneut Borkenkäfer schlüpfen und ausschwärmen.
Diese aufgestellten Fallen nutzen die genannten Pheromone als Lockstoffe und ziehen auf diese Weise ausschwärmende Käfer an.
Zwar kann während der Schwärmphase solch eine Pheromonfalle pro Woche weit über 1000 Käfer fangen. Aber zu einer erheblichen Reduzierung des Baumbefalls können diese gefangenen Käfer nur unwesentlich beitragen. Die Fallen dienen in erster Linie zur Dokumentation des Flugverlaufes und dem Monitoring. Deshalb werden die Fallen wöchentlich kontrolliert. Anhand der festgestellten Anzahl der Käfer können weitere Rückschlüsse gezogen werden. Waldbesitzer können so im Frühjahr den Flugbeginn feststellen und dann mit intensiven Kontrollen der umstehenden Bäume beginnen. Nur so können betroffene Bäume rechtzeitig entfernt werden. In warmen Jahren können 3 bis 4 Generationen schlüpfen. Daher werden auch über den Sommer die Fangzahlen regelmäßig dokumentiert. Wenn sie plötzlich wieder stark ansteigen, ist eine neue Generation geschlüpft und wieder muss auf Befall kontrolliert werden.
Wie erkennt man vom Borkenkäfer befallene Bäume?
Winzige Einbohrlöcher in der Rinde, manchmal feiner Harzfluß am Stamm, Bohrmehl an der Rinde, Ästen, Spinnweben oder auf dem
Boden oder vom Specht angepickerte bzw. abgeschlagene Rindenteile sind klare Indizien für den Borkenkäferbefall. Bei Temperaturen von 12-15 Grad beginnt die
Entwicklung der Brut. Jetzt muss schnell gehandelt werden, denn der Buchdrucker durchläuft seine Entwicklung von der Eiablage zum geschlechtsreifen
Insekt innerhalb von nur sechs Wochen.
Verliert die Fichte bereits ihr Nadelkleid oder löst sich die Rinde am Stamm, ist es längst schon zu spät.
Wer sich genauer über Borkenkäfer und Schutzmaßnahmen im Wirtschaftswald informieren möchte, findet in den Forstämtern der Bundesländer die richtigen
Ansprechpartner. Sie stellen auch entsprechende Infos für Waldbesitzer bereit, wie z.B. diesen umfangreichen und informativen Praxisleitfaden:
Infos (nicht nur) für Sachsen:
https://www.sbs.sachsen.de/infos-fuer-waldbesitzer-zum-borkenkaefer-26421.html